Auf den Tag genau vor 4 Jahren gab es
im White Rabbit das erste
Blue Rabbit. Seither wurde ein bis zweimal im Monat stets die Frage
aufgeworfen, was denn wohl jener ominöse, von meist gut gebildeten,
männlichen und in der Regel mit einer helleren Haarfarbe
ausgestatteten Mitgliedern der Mittelschicht goutierte Jazz sei.
Der Anspruch bei der Fragestellung war
auf jeden Fall, wie diese Antwort wohl ausfallen würde, wenn man den
üblichen Konzertrahmen des Genres in einen kleinen Club, der sonst
für eher der Jugendkultur nahestehende Musikarten bekannt ist,
verfrachten würde und sich nicht aus öffentlichen Geldern gespeist
mit limitierten Mitteln begnügte.
Die Antwort lieferten auf sehr
unterschiedliche Weise überwiegend junge Musiker, die meisten aus
der Region Freiburg - Basel. Aber auch Beiträge aus dem Rest Europas
waren in den Jahren zu hören. Heraus gekommen ist dabei eine Idee,
die in ihrer Vielfalt nur einen Schluss zulässt: Jazz ist die
Blaupause für eine multikulturelle, pluralistische, nie um
unterschiedliche Betrachtungswinkel verlegene Form der musikalischen
Kultur, die gerade weil sie das nicht will, über sich selbst
hinausweist. 4 Years of Blue Rabbit möchte heute sich selbst feiern
und Rückschau betreiben, ohne dabei den Blick auf das Kommende zu
verstellen:
Den Anfang macht eine Vernissage, bei
der Fotos der englischen Fotografin Hannah Huddy ausgestellt werden. Sie hat in den vergangenen vier Jahren
das Blue Rabbit fast immer begleitet, den Musikern auf den Zahn
gefühlt und die schönsten Momente mit ihrer Kamera eingefangen.
Das musikalische Rahmenprogramm wird
dann Daniele Martini
(ts) mit einem Soloauftritt
eröffnen. Mit den in Brüssel beheimateten Bands Heinz Karlhausen &
The Diatonics, Mulabanda und AY! war er insgesamt drei Mal zu Gast
und hat den Eindruck hinterlassen, dass Brüssel wohl die Metropole
des Jazz-Core oder Noise-Jazzes sei. Auch heute wird er wohl die
Atonalität und die dunkle Seite des Genres ausloten.
Den wohl jazzigsten Sound des heutigen
Abends bringt das Joscha Arnold Quintett auf die Bühne. Das Projekt des in Weilheim in
Oberbayern aufgewachsenen Bandleaders klingt klassisch, aber wer in
jener kleinen Stadt südlich von München aufgewachsen ist, an dem
gehen die Sounds und der Wille zur Zusammenführung unterschiedlicher
Spielarten von The Notwist nicht spurlos vorüber. Und so klingt es
ein bisschen als würde Joscha Arnold (ts) mit Sebastian Scheipers
(git), Florian Favre (p), Sebastian Gieck (b) und Severin Rauch (dr)
von einem Radiohead-Konzert kommend über alte Charly Parker Stücke
improvisieren.
Jenseits des gängigen Klischees war
Jazz schon immer eine Musik, die unterschiedliche Sounds vereint hat,
ohne sie einfach zu collagieren. Eben jene Herangehensweise verfolgt
Fred Heislers Magnetband:
Fred Heisler (dr), Emanuel Teschke (b), Florian Moebes (git),
Sebastian „Bafti“ Scheipers (git), die unglaublichen Raphael
Rossé und Simon Girard (trb), Florian Favre (p) und Maximilian
Bischofberger (beatbox) waren mit ihren zahllosen Projekten wichtige
Triebfedern des Blue Rabbits. Gemeinsam basteln sie ein Mixtape aus
New Orleans Jazz, Oldschool Funk, Hip Hop, Drum and Bass, Elektro und
Samples, wahren die Contenance um den Bandsound nicht zu torpedieren,
nur um dann um so intensiver als Solisten auszubrechen, zeichnen so
ein Bild von einer gesellschaftlichen Utopie während sie es zugleich
wieder ironisch brechen, stürmen den höchsten Gipfel der
Virtuosität und führen im nächsten Moment einen gewollten Misstake
herbei, pendeln zwischen Rausch und Nüchternheit, vereinen scheinbar
Unvereinbares.
Den krönenden Abschluss wird
Archivarius Olli Lindhorst besorgen. Seine Hingabe an das Blue Rabbit hat jedem
Abend der Reihe einen einzigartigen Rahmen geboten. Aus seinen schier
überquellenden Plattenregalen wird er heut so wie er es ein ums
andere Mal getan hat, eine Reise durch die Dekaden und Stile
vollführen, Relikte ausgraben und scheinbare Gegensätze Hand in
Hand über die Bohlen des Hasenbaus streifen lassen.